Was muss ein Klassenraum leisten?

Spätestens die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig gute Luft für eine gesunde Lern- und Arbeitsumgebung ist. Auch insgesamt sind die Anforderungen an Klassenräume in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer weiter gestiegen, denn:

Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte verbringen heute mehr Zeit in geschlossenen Räumen.

Hitzewellen, Infektionslagen und die Energiekrise bringen neue Herausforderungen für Luftqualität und Raumklima.

Die Räume werden inklusiver und digitaler genutzt: Licht, Akustik und Kühlung werden dadurch noch wichtiger.

Klassenräume brauchen daher möglichst optimale Innenraumbedingungen: ein gutes Raumklima trotz höherer Außentemperaturen in wärmeren Sommern und trotz Energiesparen im Winter. Infektionsrisiken erhöhen die Anforderungen an die Luftqualität. Der Trend zu Ganztagsunterricht und Nachmittagsbetreuung und veränderte Unterrichts-Formate steigern ebenfalls die Anforderungen. So werden Lerngruppen immer inklusiver und Fremdsprachenunterricht findet immer früher statt.

Auch moderne pädagogische Konzepte wie Gruppenarbeit und der Einsatz elektronischer Hilfsmittel wie Tablets erfordern entsprechende Rahmenbedingungen. Dazu gehören neben einer guten Luftqualität auch eine für die Sprachkommunikation günstige Raumakustik sowie eine angemessene Beleuchtung unter Einhaltung der thermischen Komfortgrenzen.

Raumfaktoren:
Voraussetzung für Gesundheit und Leistungsfähigkeit

Frische Luft und angenehm temperiert. Nicht zu hell, nicht zu dunkel und gute Raumakustik – das Ganze dann noch energiesparend. Die Anforderungen klingen hoch. Wir sehen aber in Forschung und Praxis, wie viel schon kleine technische Verbesserungen auf all diesen Ebenen bewirken und wie sehr sie sich lohnen.

Prof. Dr.-Ing. Dirk Müller, RWTH Aachen


Luftqualität

Die Luftqualität in Klassenräumen ist oft unzureichend. Dies liegt daran, dass Schulräume oft besonders intensiv genutzt werden und nur wenige Schulen bisher über eine entsprechend ausgleichende räumliche und technische Ausstattung wie in modernen Büroräumen verfügen. Generell hängt die Luftqualität in Innenräumen sowohl von den räumlichen und äußeren Gegebenheiten also auch von den anwesenden Personen und deren Verhalten im Raum ab.

Checkliste für gute Luft im Innenraum

  • Anwesende Personen und Nutzungszeiten?
  • Ausreichend Luftwechsel?
  • CO2-Gehalt?
  • Passende Luftfeuchte?
  • Belastung des Raums durch Schadstoffe von innen und/oder außen?

Faktor Mensch

Mit der menschlichen Atmung geben wir kontinuierlich CO2 an die Umgebung ab. Dies verändert das vorhandene Luftgemisch. Wird die CO2-Konzentration zu hoch, kann sich dies negativ auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit auswirken und die Aufmerksamkeitsleistung beeinträchtigen.

Auch das Infektionsrisiko für luftübertragene Krankheiten steigt. Viruspartikel aus der Atemluft einer infizierten Person im Raum können sich mit der Zeit im Raum verteilen und verdichten.

Schadstoffe von innen oder außen?

Auch Feinstaub und so genannte flüchtige organische Verbindungen können die Luftqualität beeinträchtigen. Während Feinstaub vor allem aus der Außenluft oder durch Aufwirbelung im Raum in die Luft gelangt, kommen flüchtige organische Verbindungen auch in bestimmten Wandfarben, Bodenbelägen oder beispielsweise Reinigungsmitteln vor. Sie können toxische Bestandteile in die Raumluft ausdünsten.

Messen

Grundlegende Einschätzungen zur Luftqualität können beispielsweise CO2-Ampeln und Luftfeuchte-Messer geben.

Verbessern

Manuelle Fensterlüftung kann kurzfristig helfen, geht allerdings meist auf Kosten der Akustik und des thermischen Komforts.

Erhalten

Langfristig kann meist nur eine mechanische Belüftung gute Luft bei allen Randbedingungen sicherstellen.


Raumklima & Behaglichkeit

Der thermische Komfort des Menschen in Innenräumen hängt von vielen Faktoren ab. Raumklimatische Einflussgrößen sind etwa die Lufttemperatur und die Luftfeuchte, die Art der Luftströmung bzw. die Luftgeschwindigkeit sowie die Einflüsse der Wärmestrahlung.

Thermischer Komfort
hängt von vielen Faktoren ab:

  • Lufttemperatur
  • Luftfeuchte
  • Art der Luftströmung
  • Wärmestrahlung
  • Äußere Einflüsse
  • Eigene Aktivität
  • Aufenthaltsdauer
  • Persönliche Verfassung

Neben tageszeitlichen und saisonalen Schwankungen haben auch die Bekleidung, die Schwere der körperlichen Arbeit bzw. körperliche Aktivität und die Aufenthaltsdauer einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlbefinden. Weiterhin spielen die persönliche Verfassung und die eigene Wärme- und Feuchteabgabe eine Rolle.

Grundsätzlich wird in Klassenräumen ein Temperaturbereich von etwa 20 bis 26 °C empfohlen. Ebenso sollte die relative Luftfeuchte zwischen 30 und 60 Prozent liegen.

Je höher die Lufttemperatur, desto geringere Luftfeuchten werden toleriert. Im Winter sollten dennoch hohe Luftfeuchten in Räumen vermieden werden, um Schimmelbildung zu verhindern. Kurzfristige Überschreitungen stellen aber kein Risiko dar.

Messen

Temperatur, Feuchte und Luftströmungen im Raum geben Orientierung. Das empfundene Raumklima ist aber auch immer subjektiv.

Verbessern

Für das empfundene Raumklima spielen viele Faktoren zusammen. Zum Beispiel tolerieren wir bei hohen Temperaturen weniger Luftfeuchte oder Zugluft bei Kälte.

Erhalten

Gutes Raumklima darf nicht auf Kosten der Luftqualität gehen oder andersherum. In Zeiten der Energiekrise wird die Wärmerückgewinnung wichtiger.


Beleuchtung und Tageslicht

Zeitgemäße Beleuchtungskonzepte in Klassenräumen berücksichtigen moderne Unterrichtsformen und sparen Energie und Stromkosten. Die Beleuchtung sollte je nach Tageslichtverhältnissen und Arbeitsform anpassbar sein. Durch das einfache Nachrüsten von Sensoren können moderne LEDs anforderungsgerecht eingesetzt werden und sparen deutlich Energie. Schlecht geeignet sind dagegen herkömmliche Leuchtstoffröhren, denn sie sind immer gleich hell, auch in Pausen eingeschaltet und ungeeignet für Bildschirm-Arbeitsplätze.

Messen

Die Helligkeit im Raum misst man in „Lux“ (lx), dabei kommt es aber auch auf die Lichtverteilung an. In Klassenzimmern etwa sollten es 500 lx auf Schreibtischhöhe sein.

Verbessern

Neben der Beleuchtungsstärke gibt es auch Grenzwerte für die empfohlene Gleichmäßigkeit und spektrale Farbzusammensetzung der Beleuchtung.

Erhalten

Am nachhaltigsten wirken Maßnahmen, die eine gute und passende Beleuchtung bei geringem elektrischen Energieverbrauch gewährleisten.


Akustik und Sprachverständlichkeit

Gerade in Klassenräumen kann eine unzureichend geregelte Raumakustik das reibungslose und stressfreie Unterrichten und Lernen stark behindern. Oft liegt das Problem auch mit an der Raum-Ausgestaltung und kleine Verbesserungen sind unmittelbar möglich.

Die Bewertung der Raumakustik unterscheidet zwischen verschiedenen Unterrichtsformen und Personengruppen mit einem unterschiedlich großen Bedürfnis nach sehr guter Sprachverständlichkeit. Der höchste Anspruch gilt für Grundschule, Inklusion, Fremdsprachen und Fachtexte. Er sollte aber auch darüber hinaus möglichst erfüllt werden.

Messen

Wichtige Messgrößen für die Sprachverständlichkeit sind der Stör-Schalldruckpegel, der Sprachstör-Pegelabstand und die mittlere Nachhallzeit im Raum.

Verbessern

Kleiner Hebel, große Wirkung: Akustische Verbesserungen sind relativ kostengünstig möglich und senken den Stresspegel enorm.

Erhalten

Langfristig helfen zum Beispiel nachgerüstete Akustikdecken und durchdachte Sanierungs- und Neubauprojekte, die das Thema Inklusion von Beginn an einbeziehen.